Ein Gastbeitrag des didacta-Ausschuss Frühe Bildung


Viele Fachkräfte und Eltern sind skeptisch gegenüber digitalen Medien in der Frühpädagogik. Dabei ist die Kita der Ort, wo schon die Kleinsten einen sinnvollen Umgang damit erlernen können.

Digitale Medien gehören zur Lebensrealität von Kindern. In Familien ist es aber sehr unterschiedlich, wie oft und wozu sie digitale Medien nutzen. Eltern sind mit ihrer Mediennutzung Vorbild für die Kinder. Kindertageseinrichtungen können ein professionelles Pendant zur familiären Situation sein. Sie können daran mitwirken, Kompetenzunterschiede zwischen den Kindern auszugleichen. Mit einer fundierten Haltung zur digitalen Bildung ermöglichen sie den Kindern einen weiteren Zugang zur Digitalität. Digitalität meint, dass die digitale und die analoge Welt zunehmend verschmelzen und beide selbstverständlicher Teil der Lebenswirklichkeit sind.

Kinder besser vor Risiken schützen

Dabei geht es nicht darum, bestehende pädagogische Ansätze zu ersetzen, sondern ein Nebeneinander und eine Verbindung der verschiedenen Bereiche zu schaffen. Primärerfahrungen und haptische Erlebnisse bleiben für die Entwicklung der Kinder unabdingbar. Digitale Medien können aber zusätzliche Handlungs- und Erfahrungsräume bereitstellen. Sie können zum gemeinsamen Entdecken, Erforschen und Bearbeiten anregen und wichtige Zukunftskompetenzen wie kreatives und kritisches Denken fördern. Das Ziel ist eine digitale Alphabetisierung mit Augenmaß. Denn natürlich bergen digitale Medien für Kinder neben Chancen auch Risiken. Digital kompetente Kinder sind vor den digitalen Risiken aber besser geschützt.
Der Kommunikationswissenschaftler Uwe Hasebrink zeigte in seinen Forschungen zur Mediennutzung, dass Kinder, die sich bewusst mit digitalen Medien auseinandersetzen durften, eine deutlich größere Chance haben, selbstbestimmt und kompetent in einer Gesellschaft der Digitalität zu agieren.

Digitale Kompetenzen als vierte Kulturtechnik

Die KultusministerkonferenzKultusministerkonferenz|||||Die KMK  ist die ständige Konferenz der Länder in der BRD, wurde 1948 gegründet und ging aus der "Konferenz der deutschen Erziehungsminister" hervor. Sie basiert auf dem freiwilligen Zusammenschluss der zuständigen Minister/Senatoren der Länder für Bildung, Erziehung und Forschung. Da nach dem Grundgesetzt und sog." Kulturhoheit der Länder" die Zuständigkeiten für das Bildungswesen bei den einzelnen Ländern liegt, behandelt die KMK Angelegenheiten von  überregionaler Bedeutung mit dem Ziel einer "gemeinsamen Meinungs- und Willensbildung, sowie der Vertretung gemeinsamer Anliegen".  bewertet die Kompetenzen in der digitalen Welt als vierte Kulturtechnik – neben Lesen, Schreiben und Rechnen – und sieht sie als Voraussetzung für die gesellschaftliche Teilhabe. Es geht somit bei digitaler Bildung auch darum, Bildungschancengerechtigkeit zu ermöglichen. Ziel ist dabei nicht, den Kita-Alltag mit digitalen Endgeräten zu überfrachten, sondern bestehende Konzepte pädagogisch überlegt und entwicklungsangepasst zu ergänzen und zu erweitern. Kinder zu Medienkompetenz und Medienmündigkeit zu befähigen, benötigt Zeit, ein schrittweises Vorgehen und vor allem eine kompetente pädagogische Begleitung.

HÄUFIGE BEDENKEN VON FACHKRÄFTEN UND ELTERN

Die Kinder sitzen zu Hause schon vor dem Bildschirm, muss das in der Kita auch noch sein? Eine nachvollziehbare Sorge – sofern digitale Medien nur Bildschirmzeit meint. Bildungsangebote mit digitalen Medien unterscheiden sich jedoch von passiv konsumierbaren Unterhaltungsprogrammen und den meisten Spiel-Apps. Vielmehr geht es um pädagogisch konzipierte und begleitete Aktivitäten, in denen digitale Geräte und Produkte wie ein Tablet, eine App, eine Mikroskop-Kamera oder ein programmierbares Spielzeug nur dann eingesetzt werden, wenn sie ein pädagogisches Potenzial bieten und Kinder zum eigenständigen Denken und Gestalten animieren. Die Vermittlung von Medienkompetenz kommt oft auch ohne Bildschirm aus, wenn etwa spielerisch und mit haptischem Material wie Bausteinchen erklärt wird, was Pixel oder ein Algorithmus sind.

Sind digitale Medien zu einem so frühen Zeitpunkt in der kindlichen Entwicklung wirklich nötig und sinnvoll?

Digitale Technologien und Geräte gehören zur Alltagsrealität von bereits einjährigen Kindern. Sie davon abzuschirmen ist nicht möglich. Daher kommt es darauf an, die Kinder dabei zu begleiten und ihnen einen selbstbestimmten, altersgerechten Umgang mit digitalen Medien zu ermöglichen – innerhalb, aber auch außerhalb der Familie. Viele Bedenken rund um die Nutzung digitaler Medien beziehen sich auf ein unreflektiertes, unmündiges Nutzungsverhalten. Dem beugt man am besten vor, indem man Kinder zu kompetenten, kritisch-reflektierten Gestalterinnen und Gestaltern ihrer digitalen Welt macht.

Die Kinder sollen in der Kita doch matschen, klettern und Dinge erleben – nicht vor dem Tablet sitzen

Ja, unbedingt! Ein ausgewogenes Bildungsangebot umfasst soziale Interaktionen, in denen sich Kinder ausprobieren und weiterentwickeln können, Elemente, die möglichst viele ihrer Sinne anregen, andere mit Fokus auf Bewegung und Feinmotorik, und unbedingt auch solche, die Kinder kognitiv anregen und ihren Horizont erweitern. Kitas, die diesem Anspruch gerecht werden wollen, finden ein ausgewogenes Verhältnis zwischen diesen Anforderungen und wissen, an welchen Stellen sie digitale Medien sinnvoll einsetzen können. Beispielsweise können sie Bildungsangebote wie einen Besuch bei der Feuerwehr mit digitalen Elementen anreichern, wenn die Kinder mit der Digitalkamera Fotos und Videos machen, die sie dann gemeinsam in einem digitalen Buch zu einer Geschichte kombinieren. So kann die Kita das neue Wissen reflektieren, dokumentieren und den Eltern vorstellen.

Zum Weiterlesen:
Warum ist digitale Bildung im frühkindlichen Bereich bedeutsam?
Publikation des Ausschuss Frühe Bildung. Didacta Verband,

Übernahme des Beitrags mit freundlicher Genehmigung aus
Meine Kita 2023-04, S. 23-24