Laut Bertelsmann Ländermonitor wurde die Kindertagesbetreuung in Niedersachsen (NI) in den letzten Jahren ausgebaut. Es sind mehr Plätze geschaffen worden und auch die Personalausstattung wurde verbessert. Allerdings gebe es auch weiterhin erhebliche Reformbedarfe bei der frühkindlichen Bildung in NI. Hier einige zentrale Blitzlichter aus dem Ländermonitor für Niedersachsen:

Am 1. März 2022 besuchten in NI insgesamt 77.199 unter Dreijährige eine Kindertageseinrichtung (KiTa) oder KindertagespflegeKindertagespflege|||||Kindertagespflege oder Tagespflege umfasst eine zeitweilige Betreuung von Jungen und Mädchen bei Tagesmüttern oder Tagesvätern. Nach dem Tagesbetreuungsausbaugesetz von 2004 ist die Tagespflege neben der Tagesbetreuung in Kindertageseinrichtungen eine gleichwertige Form der Kindertagesbetreuung. : rund 5.400 Kinder mehr als 2021. Die Teilhabequote in dieser Altersgruppe beträgt 34 % (bundesweit: 36 %).

Bei den vertraglich vereinbarten KiTa-Betreuungszeiten hat Niedersachsen einen der niedrigsten Werte bundesweit: nur 8 % der unter Dreijährigen sind 45 Wochenstunden und mehr betreut: im Ländervergleich nach HB (1,1 %) der geringste Anteil (bundesweit: 37 %). Bei den Kindern ab drei Jahren zeigt sich ein ähnliches Muster: Der Anteil mit Betreuungsumfängen von 45 und mehr Wochenstunden in NI liegt mit nur 7 % deutlich unter dem Bundesdurchschnitt (35 %).

Personalschlüssel verbessert, aber noch nicht gut genug

Noch immer werden, so der Bertelsmann Ländermonitor, in NI die meisten Kinder unter und ab drei Jahren in Gruppen mit nicht kindgerechten Personalschlüsseln betreut. Seit 2017 hat sich für beide Altersgruppen dieser Anteil allerdings deutlich verringert.

28 % der unter Dreijährigen in KiTas werden in Krippengruppen betreut. Dort liegt der Personalschlüssel 2022 bei 1 zu 3,4; dieser Wert ist zwar eine Verbesserung gegenüber 2013 (1 zu 4,2) und nach BW (1 zu 2,9) und HB (1 zu 3,2) einer der besten Werte, aber immer noch ungünstiger als die Empfehlung der Bertelsmann Stiftung von 1 zu 3,0. Die meisten Kinder ab drei Jahren (80 %) besuchen Kindergartengruppen mit einem Personalschlüssel von 1 zu 7,6. Dies entspricht fast der Empfehlung der Bertelsmann Stiftung von 1 zu 7,5.

Aber auch innerhalb von NI variieren die Personalschlüssel, aktuell zwischen 1 zu 6,6 in Kindergartengruppen im Landkreis Diepholz und 1 zu 8,6 im Landkreis Ammerland. In Gruppen mit Kindern unter vier Jahren gibt es ein etwas geringeres Gefälle: von 1 zu 3,1 im Landkreis Osterholz bis hin zu 1 zu 4,3 in den kreisfreien Städten Wolfsburg und Delmenhorst.

Gruppen zu groß

Auch die Gruppengröße gehört zu den wichtigen Strukturqualitätsmerkmalen von KiTas. Nach wissenschaftlichen Empfehlungen sollten Gruppen für die jüngeren Kinder maximal 12 Kinder umfassen, für die Älteren 3 maximal 18. In 56 % der Krippengruppen und in 79 % der Gruppen mit Kindern unter vier Jahren werden mehr als 12 Kinder betreut.

Dies sind bundesweit jeweils die höchsten Anteile. In NI sind es jedoch noch etwas häufiger die Gruppen mit den älteren Kindern, die der Empfehlung von maximal 18 Kindern pro Gruppe nicht entsprechen: Das betrifft 88 % der Kindergartengruppen, die auch für Zweijährige geöffnet sind, und 83 % der Kindergartengruppen.

Gutes Qualifikationsniveau

In NI verfügen 68 % der 63.990 pädagogisch Tätigen in KiTas (ohne Horte) über einen fachlich einschlägigen Fachschulabschluss, wie Erzieher:innen. Damit liegt NI geringfügig über dem bundesweiten Durchschnitt (67 %), allerdings unter dem Niveau der ostdeutschen Bundesländer (79 %). Weitere 3,7 % der pädagogisch Tätigen in NI haben einen relevanten Hochschulabschluss (bundesweit: 6 %). Auch der Anteil des Personals ohne Abschluss (2,1 %) oder mit einer anderen, nicht relevanten Ausbildung (3,3 %) ist in NI mit dem bundesweiten Durchschnitt (2,4 % bzw. 4,6 %) vergleichbar.

Noch immer viele Leitungen ohne Ressourcen

Schließlich besitzt auch die Ausstattung der KiTas mit ausreichenden Leitungsressourcen eine Schlüsselfunktion für die KiTa-Qualität. Laut der KJH-Statistik verfügen 13 % der KiTas in NI über keine Zeit für Leitungsaufgaben; dies ist nach HB (25 %) und BE (22 %) der dritthöchste Anteil bundesweit. Keine entsprechenden Zeitressourcen haben bei kleinen KiTas mit weniger als 45 betreuten Kindern 25 %, bei mittleren KiTas mit 45 bis 75 betreuten Kindern sind es 6 % und bei noch größeren KiTas 3,6 %. 21 % der KiTas besitzen die von der Bertelsmann Stiftung empfohlene Zeit für Leitungs- und Verwaltungsaufgaben, 5 bundesweit sind es 20 %.

Ausbau- und Reformbedarf: Empfehlungen für die Kindertagesbetreuung in Niedersachsen

Damit der weitere, insbesondere auch qualitative Ausbau der KiTas in NI gezielt fortgesetzt werden kann, bedarf es laut Bertelsmann Ländermonitor vor allem einer Analyse der zu erwartenden – kurz- wie auch mittelfristigen – Entwicklungen.

Laut dem Fachkräfte-Radar für KiTa und Grundschule 2023 hat NI einen hohen Fachkräftebedarf für den Ausbau. So können die genannten Platzbedarfe der Eltern bis 2025 nicht erfüllt werden, da immer noch 5.000 Fachkräfte fehlen. Wenn zusätzlich noch die Personalschlüssel bis 2025 auf das Westniveau verbessert werden sollen, fehlen 5.100 Fachkräfte. Dieser Bedarf ist kaum zu decken, da das erwartete Angebot um 48 % gesteigert werden müsste. Um jedoch die Ziele – Deckung der Elternbedarfe und verbesserte Personalschlüssel auf Westniveau – in NI zu erreichen, könnten verkürzte KiTa-Öffnungszeiten auf sechs Stunden täglich laut dem Fachkräfte-Radar eine mögliche Antwort sein. Dann würden sogar 3.900 Fachkräfte zusätzlich zur Verfügung stehen.

Anders als bis 2025 wäre es in NI bis 2030 jedoch möglich, die Elternbedarfe zu realisieren sowie die Personalschlüssel auf das bessere Westniveau zu heben. Bei gleichen Angebotskapazitäten gäbe es dann 7.400 Fachkräfte zusätzlich. Es wäre sogar bis 2030 eine Angleichung der Personalschlüssel an die wissenschaftlichen Empfehlungen möglich: Bei gleichbleibenden Angebotskapazitäten bestünde dann eine Lücke von 2.600 Personen. Somit müsste bis 2030 das Personal-Angebot, das mit den bestehenden Ausbildungskapazitäten zu erwarten ist, noch zusätzlich um 9 % gesteigert werden.

Diese Ziele können dem Bertelsmann-Monitor zufolge allerdings nur dann erreicht werden, wenn das prognostizierte Angebot an Ausbildungsabsolvent:innen tatsächlich in den KiTas beschäftigt wird und die fehlenden Plätze räumlich bereitgestellt werden. Darüber hinaus könnte KiTa-Trägern die Finanzierung von Personalkapazitäten bis zu einer Personalausstattung nach wissenschaftlichen Empfehlungen zugesichert werden, da diese noch nicht in allen Gruppentypen erreicht werden. Die Landesregierung müsste allerdings jetzt die rechtlichen Voraussetzungen für die Beschäftigung von Personal nach diesen Standards schaffen. Damit die Lücke von 2.600 fehlenden Personen zur Realisierung der Personalschlüssel nach wissenschaftlichen Empfehlungen geschlossen werden kann, sollten jetzt weitere Maßnahmen auf den Weg gebracht werden. Es müssen zusätzliche Fachkräfte gewonnen bzw. qualifiziert werden. Zudem könnten auch weitere Hauswirtschafts- und Verwaltungskräfte beschäftigt und dadurch die Fachkräfte entlastet werden, so dass diese sich auf ihre pädagogischen Aufgaben konzentrieren könnten.

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Quelle: Bertelsmann Ländermonitor