KindertagespflegeKindertagespflege|||||Kindertagespflege oder Tagespflege umfasst eine zeitweilige Betreuung von Jungen und Mädchen bei Tagesmüttern oder Tagesvätern. Nach dem Tagesbetreuungsausbaugesetz von 2004 ist die Tagespflege neben der Tagesbetreuung in Kindertageseinrichtungen eine gleichwertige Form der Kindertagesbetreuung.  unterstützt die frühkindliche Entwicklung in besonderer Weise. Dies zeigt auch ein aktuelles Forschungsprojekt, das in Österreich durchgeführt wurde. Im Interview mit dem Bundesfamilienministerium zieht Prof. Dr. Lieselotte Ahnert das Resümee: „Kindertagespflege ist bindungsbezogen, anregend und kindorientiert“

 

 

 

Was haben Sie und Ihr Team in der Studie „Parenting and Co-Parenting“ untersucht?

 

Frau Prof. Ahnert: Die Studie wurde mit Unterstützung der Jacobsfoundation in Niederösterreich durchgeführt. Mit kleinen Studententeams haben wir dort über die letzten zwei Jahre 300 Familien aufgesucht. 200 Familien hatten Kindertagespflege für die Betreuung ihrer Kinder in Anspruch genommen, während 100 Familien ihre Kinder nur zu Hause betreuten. Im Mittelpunkt standen dabei Vergleiche zwischen diesen unterschiedlich betreuten 12 bis 24 Monate alten Kleinkindern in Bezug auf ihre Denk- und Sprachentwicklung, ihr Sozialverhalten und Wohlbefinden.

 

Was zeichnet die Bildung, Betreuung und Erziehung von Kindern unter drei Jahren in der Kindertagespflege aus?

 

Frau Prof. Ahnert: Wir waren überrascht, auf welch hohem Niveau Kindertagespflege in Niederösterreich angeboten und organisiert und in welcher Weise Betreuungsqualität umgesetzt und überprüft wird. Wir haben vielfach beobachten können, wie engagierte Tagesmütter und Tagesväter ihre privaten Wohnumwelten professionell ausgestalten, oft mit dem eigenen Spielplatz im Vorgarten. Bildung, Betreuung und Erziehung war dementsprechend bindungsbezogen, anregend und kindorientiert, so wie dies auch von den Qualitätsstandards für öffentliche Kindereinrichtungen bekannt ist.

 

Wo liegen die Unterschiede zum Angebot der Kitas?

 

Frau Prof. Ahnert: Die Unterschiede liegen eindeutig im Bereich der Beziehungsgestaltung. Die ersten Auswertungen unserer Studie zeigen es: Die Beziehungsmuster eines Kleinkindes zur Tagesmutter bzw. zum Tagesvater waren individueller ausgeprägt und auf die Bindungsbedingungen besser angepasst, als wir das aus unseren Krippenstudien (auch aus Österreich) kennen.

 

Wie lässt sich die Beziehung zwischen Kind und Tagespflegeperson beschreiben?
 

Frau Prof. Ahnert: Beziehungen lassen sich bei den wenigen Kindern in der Kindertagespflege einfach besser gestalten, sodass das Kind aus dieser Beziehung viele positive Einflüsse für seine Gefühlswelt gewinnt. Die Tagesmutter-Kind-Beziehung wirkt sich dann maßgebend auf die Abstimmung gemeinsamer Aktivitäten aus. Die Kinder lassen sich gut anleiten und sind damit im eigentlichen Sinne „bildbar“, was ihrer Denk- und Sprachentwicklung zugutekommt.

 

Was sind die Besonderheiten der Bindung zwischen Kind und Tagespflegeperson im Vergleich zur Bindung des Kindes zu seinen Eltern?


Frau Prof. Ahnert: Für ein Kind ist die Bindung zu seinen Eltern eine besondere Beziehungserfahrung. Diese können auch von einer Tagesmutter oder einem Tagevater nicht ersetzt werden. Wohl aber kann die Tagesmutter bzw. der Tagesvater auf bestimmte kindliche Kompetenzen zielführend einwirken. In unserer Studie zeigte sich bereits, dass ein Kind viel häufiger in der Kindertagespflege in einer selbstbestimmten Weise tätig wird und seine Gefühle viel besser als zu Hause eigenregulieren kann. Fähigkeiten der Handlungs- und Emotionsregulation aber sind zentrale Kompetenzen, die auch das spätere Sozialverhalten bestimmen und wichtig für Anpassungsprozesse bei allen neuen Situationen sind.

 

Zur Person:

Univ.-Prof. Dr. Lieselotte Ahnert Professorin für Entwicklungspsychologie an der Universität Wien. Davor erhielt sie Professuren an der Hochschule Magdeburg-Stendal und an der Universität zu Köln. Von 1991 bis 2001 leitete sie das „Interdisziplinäre Zentrum für Angewandte Sozialisationsforschung“ in Berlin, zwischen 1996 und 1999 war sie als Austauschwissenschaftlerin am National Institute of Child Health & Human Development (Bethesda, USA) im Department für Soziale & Emotionale Entwicklung tätig. Nach ihrer Promotion sammelte sie praktische Erfahrungen als Leitende Psychologin in 52 Berliner Kinderkrippen. Große Resonanz erfährt ihr Buch „Wie viel Mutter braucht das Kind? Bindung, Bildung und Betreuung: öffentlich und privat“.
 

 

Mit freundlicher Genehmigung des BMFSFJ